Die ADHS-Hymne: »Messy« von Lola Young

Beim flüchtigen Hinhören klingt »Messy« wie ein Lied über eine schwierige, vielleicht sogar toxische Beziehung. Doch das ist es mitnichten. Es beschreibt vielmehr das Gefühlschaos eines »typischen« Menschen mit ADHS. Lola Young hatte es, wie sie sagt, ursprünglich zur Selbstfindung geschrieben. Inzwischen ist der Song weltweit zur inoffiziellen ADHS-Hymne geworden, die auf den Punkt bringt, wie viele Betroffene fühlen: widersprüchlich, stets im Gedankenkarussell gefangen. »Messy« bringt nicht weniger als das Spannungsfeld, die Ambivalenz in einem Leben mit ADHS auf den Punkt: zu glauben, nie gut genug zu sein und gleichzeitig viel zu viel, zu perfekt und doch zu chaotisch zu sein, stets alle Erwartungen von außen erfüllen zu wollen in dem Wissen, dass das nicht funktionieren kann. Die Sängerin legt, wie es so schön heißt, den Finger in die Wunde und zeigt die nur zu alltäglichen Widersprüche auf, gefolgt von dem Wunsch, doch bitte endlich sie selbst sein zu dürfen. Rhetorisch, ja verzweifelt fragt sie immer wieder, ob das denn nicht erlaubt sei.

Geht es in »Messy« um Liebe?

»Messy« erzählt also nicht von Partnerschaft und der gemeinsamen Zukunft eines Paares, sondern vom täglichen Kampf mit sich selbst, der Suche nach dem Gleichgewicht, ausgelöst durch ADHS. In ihrer inoffiziellen ADHS-Hymne hält Lola Young Zwiesprache mit sich selbst und gleichzeitig mit einer Gesellschaft, die die vielen Beeinträchtigungen durch die sogenannte Störung mehrheitlich einfach nicht versteht, die hyperaktive und aufmerksamkeitsgestörte Menschen stigmatisiert, sie wahlweise verurteilt oder belächelt. Die Sängerin ist selbst betroffen, weiß also nur zu gut, wovon sie spricht beziehungsweise worüber sie singt.

Die eingängige, extrem dynamische Melodie mit ihren kurzen ruhigen Passagen, erzeugt zusammen mit ihren Rock- und Soulelementen einen Spannungsbogen, der die Gefühlslage, das ständige Hin und Her, die Unruhe in einem Leben mit ADHS ziemlich gut abbildet. Lola Young dürfte jedenfalls nicht mehr zählen können, wie viele Fans ihr inzwischen zurückgemeldet haben, dass sie sich in dem Song schlichtweg wiedererkannt haben, dass ihnen ihre Worte nur allzu vertraut sind. Auch deshalb wohl ging »Messy«, ursprünglich nur bei TikTok veröffentlicht, viral, schaffte es bis auf Platz 1 in den Charts vieler Länder und ist aus dem Radio kaum noch wegzudenken. Ihre Fans feiern ihre Hymne als Statement für Selbstannahme und Verständnis, gebündelt in einem kraftvollen, wütend präsentierten Song – ungeschminkt und roh.

Was will uns »Messy« also sagen?

Der Song spricht vielen aus der Seele, nicht nur jungen Menschen: »Nein, du musst nicht perfekt sein. Es ist vollkommen okay, messy zu sein!« Und das gilt natürlich nicht nur mit, sondern genauso auch ohne ADHS.