Die Empörung ist oft groß: »Ich nehme doch keine Drogen!« Wenn die Sprache auf Medikamente gegen ADHS kommt, scheiden sich die Geister. Während bei den einen die Erwartungen groß sind, weil sie auf einen Gamechanger im Kampf gegen ihre Aufmerksamkeitsdefizit-Hyperaktivitätsstörung hoffen, herrscht bei den anderen pure Ablehnung vor. Kein Wunder: Bei den beiden am häufigsten eingesetzten Wirkstoffen Methylphenidat (Handelsname: Ritalin) und Amphetamin (Elvanse) handelt es sich um starke Betäubungsmittel, die nur mit einem besonderen Rezept verordnet werden dürfen. Denn sie sind in ihrer Wirkungsweise illegalen Drogen wie Speed nicht unähnlich und werden auf dem Schwarzmarkt gehandelt. Von »Kinder-Koks« ist gar die Rede. Und mit »Kinder« soll dabei keineswegs ausgedrückt werden, dass es eine abgeschwächte Kokainvariante wäre, also eine Art »Kokain light«; der Name kommt vielmehr daher, dass ADHS vielfach noch immer fälschlicherweise als reine Kinderkrankheit angesehen wird. Zugegeben, wirklich harmlos klingt das alles nicht!
Sind ADHS-Medikamente Drogen?
ADHS-Medikamente wie Methylphenidat (Ritalin) und Amphetamin (Elvanse) sind starke Betäubungsmittel und legal nur mit speziellem Rezept erhältlich. Mit Drogenmissbrauch hat das aber rein gar nichts zu tun. Es geht nicht um künstliche Euphorie, sondern schlichtweg um eine Normalisierung der Hirnfunktion. Weil sie gezielt auf die entscheidenden Botenstoffe im Hirn einwirken, sind sie bei einem nicht unerheblichen Teil der Betroffenen wirksam, verbessern also spür- und messbar Aufmerksamkeit, Impulskontrolle und Arbeitsgedächtnis. Teilweise, so wird berichtet, tritt die Wirkung schon nach Minuten ein und nicht wie bei Psychopharmaka frühestens nach einigen Wochen. Langzeiteffekt: ADHS-bedingte Schulabbrüche werden seltener, die Suchtanfälligkeit nimmt ab und selbst das Risiko für Verkehrsunfälle sinkt spürbar. Denn in einem »ADHS-Gehirn« wirken die Psychostimulanzien anders, geradezu paradox: Sie beruhigen, anstatt zu pushen, ohne die Leistungsfähigkeit einzuschränken und ohne zu berauschen.
Sind ADHS-Medikamente Gehirndoping?
Workaholics und Studierende im Prüfungsstress missbrauchen diese Arzneien, indem sie sie für vermeintliches Gehirndoping zweckentfremden, frei nach dem Motto: »Wenn es bei ADHS für einen besseren Fokus sorgt – was kann ich dann erst als gesunder Mensch damit alles erreichen?!« Es ist ein Trend, der wie so oft aus den USA kommt – ein gefährlicher und sinnloser noch dazu! Denn ohne ärztliche Kontrolle und dadurch häufig viel zu hoch dosiert sind psychische Abhängigkeit und schwere Herz-Kreislauf-Probleme vorprogrammiert, insbesondere zusammen mit Alkohol oder anderen Medikamenten. Und aus Konsumentensicht vielleicht noch schlimmer: Das vermeintliche Gehirndoping findet überhaupt nicht statt! Die objektive Wirkung ist viel geringer als subjektiv angenommen oder sogar leistungsmindernd, sagt Prof. Dr. Gereon Nelles. Der Neurologe ist Beisitzer im Berufsverband Deutscher Nervenärzte.