Besonderer Kündigungsschutz, eine Woche zusätzlicher Urlaub im Jahr, Bevorzugung bei Bewerbungen im öffentlichen Dienst, früher in Rente und ein paar Steuervorteile – mit einer anerkannten Schwerbehinderung gibt es insbesondere diese sogenannten Nachteilsausgleiche. Dabei muss eine Schwerbehinderung nicht zwingend Folge einer körperlichen Erkrankung oder eines Unfalls sein. Auch mit einer neurologischen Beeinträchtigung wie ADHS hat ein Antrag durchaus Aussicht auf Erfolg. Konzentrationsprobleme und Motivationsschwierigkeiten, Hyperaktivität und plötzliche starke Gefühlsschwankungen behindern schließlich das Leben eines Menschen gravierend, beruflich wie privat – wie das Gitter auf dem Foto den Weg nach draußen. Doch auch der Weg zum Schwerbehindertenausweis ist steinig.
Wie beantrage ich eine Schwerbehinderung bei ADHS?
Ohne gesicherte ärztliche Diagnose geht gar nichts. Ein bloßer ADHS-Verdacht ist vollkommen wertlos, selbst wenn er von einer Psychiaterin oder einem Psychologischen Psychotherapeuten geäußert wird und nicht nur von einem selbst. Eine ausführliche medizinische Beurteilung ist also Pflicht! Ein psychotherapeutisches Attest kann die Ernsthaftigkeit und Dringlichkeit des Antrags zusätzlich unterstreichen. Das heißt allerdings nicht, dass die individuellen Symptome, die persönliche Gefühlslage also, überhaupt keine Rolle spielen. Im Gegenteil: Um über den Antrag entscheiden zu können, will das zuständige Amt en detail wissen, wie sich die Aufmerksamkeitsdefizit-Hyperaktivitätsstörung konkret auswirkt, also wie sie genau den Alltag erschwert. Hier gilt es deshalb, wirklich offen mit seinen Beschwerden umzugehen und etwaige Vorbehalte Behörden gegenüber wenigstens vorübergehend zu vergessen. Die Erfolgsaussichten steigen außerdem, wenn dem Amt (meist das Versorgungsamt oder die Kommune, je nach Bundesland) gleich eine Schweigepflichtentbindung mitgeschickt wird. Natürlich sollten die beteiligten Ärztinnen und Ärzte darüber vorher Bescheid wissen und den Antrag grundsätzlich unterstützen. Sind die Papiere eingereicht, heißt es abwarten. Es können Monate, manchmal sogar mehr als ein halbes Jahr vergehen, bis eine Entscheidung fällt.
Welcher Grad der Behinderung ist möglich?
Bei anerkannten ADHS-bedingten »leichteren sozialen Anpassungsschwierigkeiten« wird üblicherweise ein Grad der Behinderung (GdB) von 20 bis 30 bewilligt, bei erheblichen bis zu 50, bei Kindern und jungen Erwachsenen manchmal auch mehr. So steht es in den »Versorgungsmedizinischen Grundsätzen«. Ab einem GdB von 50 gilt man offiziell als schwerbehindert und erhält den beantragten Ausweis inklusive Nachteilsausgleiche.
Bei einem GdB von 30 oder 40 liegt noch keine Schwerbehinderung vor. Man kann sich allerdings – Achtung: bestes Beamtendeutsch! – »gleichstellen lassen« und erhält dadurch einen immerhin eingeschränkten Schutzstatus.
Sekretärin beantragen
Was viele nicht wissen: Ab GdB 50 gibt es auf Antrag sogar eine Arbeitsassistenz, die morgens ins Büro mitkommt und zum Beispiel beim Priorisieren, Dokumentieren und Sortieren hilft oder an wichtige Termine erinnert. Das hört sich nach »echter Sekretärin« an. Und genau das ist es auch: eine Assistenz, die die lästigen administrativen Aufgaben übernimmt und damit den Weg frei macht für konzentriertes inhaltliches Arbeiten – bezahlt vom Staat, nicht von dem Unternehmen, in dem sie eingesetzt wird.