Die Vorurteile decken beide Extreme ab: »ADHS? So ein Quatsch! Die sind doch alle nur dumm«, lautet das eine, meist geäußert von denen, die den «nervigen Zappelphilipp« vor Augen haben. »ADHS macht kreativ und schlau«, sagen die anderen und denken dabei an Multimilliardäre oder Superstars mit entsprechender Diagnose. Aber was stimmt denn nun? Hängen Aufmerksamkeitsdefizit-Hyperaktivitätsstörung und Intelligenz in irgendeiner Weise zusammen? Schließlich sind »ADHS-Gehirne« erwiesenermaßen anders als »normale«!
Dass die Wahrheit wie so oft genau in der Mitte liegt, beweisen auch hier zahlreiche Studien, und zwar im Wortsinn! Demnach liegt der durchschnittliche IQ-Wert von Menschen mit ADHS zwischen 90 und 110, also genau wie bei Nicht-Betroffenen. Die viel diskutierte »Meta-analysis of intellectual and neuropsychological test performance« von Psychologie-Professor Dr. Thomas Frazier und seinem Team weist zwar minimale Abweichungen nach unten aus. Diese gelten aber heute, rund 20 Jahre später, als rein statistisch bedingt und daher irrelevant.
Macht ADHS genial?
Statistisch relevant indes sind andere Zahlen, zum Beispiel die aus der Studie »Is attention deficit hyperactivity disorder a valid diagnosis in the presence of high IQ?«, geleitet von Psychologie-Professor Dr. Kevin Antshel. Sie kommt zu dem Schluss, dass bis zu 15 Prozent der Hochintelligenten, also Menschen mit einem IQ über 130, mit ADHS diagnostiziert sind. In der Gesamtbevölkerung sind es je nach Untersuchung maximal sieben Prozent. Umgekehrt ist bei den Niedrigbegabten der Anteil von Menschen mit ADHS ebenfalls erhöht, allerdings weniger extrem. Das heißt, plakativ ausgedrückt, auch wenn der letzte wissenschaftliche Beweis dafür noch fehlt: ADHS macht per se weder dumm noch schlau. Die Wahrscheinlichkeit, ein Genie zu sein oder zu werden, ist aber mit ADHS deutlich höher als ohne!